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Benchmarking und Best Practice

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2. Bereich: Schmerzen

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Schmerzen: Definition

Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.(1) Schmerz ist ein komplexes Phänomen, das von sensorischen Stimuli oder Nervenverletzungen ausgeht und dessen Erleben durch individuelle Gedächtnisinhalte, Erwartungen und Gefühle modifiziert wird.(2) Es gibt zwar keine objektiven Marker für Schmerzen, dennoch kann die Selbsteinschätzung eines Betroffenen über Art und Intensität von Schmerzen als akkurat, zuverlässig und ausreichend für ihr Vorhandensein angesehen werden.(3)

Eine besondere Problemlage bei geriatrischen Patienten stellen die vielfach zugleich vorliegenden kognitiven Einbußen bis hin zur Demenz dar, da hierdurch die direkte, verbale Kommunikation beeinträchtigt sein kann. Gerade diese Patienten dürfen jedoch nicht mit ihren Schmerzen allein gelassen werden. In einer solchen Situation müssen non-verbale Signale, die auf Schmerzen hindeuten können, wahrgenommen und interpretiert werden.

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Schmerzdauer, -häufigkeit und -intensität

Bei vorliegenden Schmerzen ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob diese aktuell neu aufgetreten sind, oder bereits lange (chronisch) bestehen. Die WHO zieht die Grenze, ab wann von "chronischen Schmerzen" auszugehen ist, bei einer Dauer von mehr als 6 Monaten.(4) Die Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil sich die Ursachen für akute Schmerzen in der Regel deutlich von den Ursachen chronischer Schmerzzustände unterscheiden, und weil die Besserungschancen bei langanhaltenden Schmerzzuständen deutlich schlechter sind.

In der Regel wird für ein initiales Screening auf Schmerzen auch empfohlen, zumindest die Intensität und die Häufigkeit (oder das Auftretensmuster) zu erfassen, um den Schmerzcharakter näher beschreiben zu können. Oft wird dies ergänzt um Empfehlungen, nach der Schmerzart, der Lokalisation sowie auslösenden und ggf. Erleichterung verschaffenden Faktoren zu fragen.(5)

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Schmerzassessment

Nach eingehender Diskussion und Abstimmung im Projekt wurde folgendes Schmerzassessment implementiert:

  • Bei Aufnahme:
    • Schmerzhäufigkeit: nie (0) - gelegentlich (1) - immer (2)
    • Schmerzintensität: keine (0) - leichte (1) - starke (2) - stärkste (3) Schmerzen
    • Schmerzdauer: keine (0) - < 6 Monate (5) - >= 6 Monate (6)
    • Erhebungsart: Selbsteinschätzung - Fremdeinschätzung
    • Depressivität: nein (0) - ja (1)

  • Bei Entlassung:
    • Schmerzhäufigkeit: nie (0) - gelegentlich (1) - immer (2)
    • Schmerzintensität: keine (0) - leichte (1) - starke (2) - stärkste (3) Schmerzen
    • Erhebungsart: Selbsteinschätzung - Fremdeinschätzung

Die Umsetzung des Schmerzassessments im GEMIDAS-Erfassungsprogramm zeigt die nachstehende Abb. 1. Diese wurde beginnend mit dem 1. Quartal 2005 in Betrieb genommen (Release-Datum: 30.12.2004). Der "SFH-Score" stellt dabei eine Eingabeerleichterung dar, da dieser auf einer Zusammenziehung von Schmerzintensität und -häufigkeit zu einem Wert beruht, der automatisch in die Scorewerte der beiden Subskalen zerlegt werden kann (entwickelt im St. Franziskus Hospital [SFH], Flensburg).

Abb. 1: Datenmaske zur Schmerzerfassung
Abb. 1: Datenmaske zur Schmerzerfassung

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Einflussfaktoren

Demenz
Skala zur Beurteilung non-verbaler Schmerzäußerungen (ECPA)
PDF-Datei
(PDF, 11kB)

Schwere kognitive Einbußen oder eine fortgeschrittene Demenz können die Befragung eines Patienten im Hinblick auf Art, Dauer und Häufigkeit bestehender Schmerzen unmöglich. Diese Situation tritt in der Geriatrie schon aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Patienten, aber auch wegen der Spezialisierung der Geriatrie mit Schwerpunkten im Bereich der Neurologie und Psychiatrie häufig ein. Aus diesem Grund wurde dieser Aspekt im Modellprojekt eingehend diskutiert, wobei durchaus auch erwogen wurde, diese Patienten aus einem Benchmarking möglicherweise auszuschließen. Aufgrund der besonderen Relevanz dieser Patientengruppe wurde dies jedoch verworfen und stattdessen nach Methoden gesucht, die es in der klinischen Routine erlauben, diesen Patienten besondere Aufmerksamkei zukommen zu lassen. Im Ergebnis wurde beschlossen, die deutsche Übersetzung der ECPA-Skala(7,8) als Schulungsunterlage für das Pflegepersonal der involvierten Kliniken zu verwenden, um bei nicht-äußerungsfähigen Patienten auf einheitlicher Grundlage zu einer professionellen Fremdeinschätzung zu gelangen. Die Skala steht unter ../docs/ECPA.pdf zum Download zur Verfügung.

Depression
Yale-Item:
"Fühlen Sie sich oft traurig oder niedergeschlagen?" (Ja/Nein)

Eine depressive Stimmungslage sowie kognitive Einbußen üben einen deutlichen Einfluss auf die Schmerzerfassung aus. Zum einen kann die Selbsteinschätzung aggraviert sein (Depressivität), zum anderen auch gänzlich unmöglich (z.B. Demenz oder andere kognitive Einbußen). Aufgrund dieser Relevanz wurde - ergänzend zu dem in GEMIDAS bereits enthaltenen Assessment der kognitiven Kapazität mittels MMSE - ein Minimalscreening auf Depressivität eingeführt, das aus einem einzelnen Item besteht, welches beispielsweise auch im Geriatrischen Screening nach Lachs et al.(9) und im Schmerzinterview für geriatrische Patienten nach Basler et al.(10) enthalten ist. Dieses vielfach auch als "Yale-Item" bezeichnete Item stammt aus der Geriatrischen Depressionsskala (GDS) nach Yesavage(11) und ist unter den 15 Items dieser Skala das Einzel-Item mit dem höchsten prädiktiven Wert im Hinblick auf das Vorliegen einer Depression.

 

Projektrelevante Literatur - Thema Schmerzen
  1. Merskey H, Bogduk N (eds). Classification of Chronic Pain, 2nd ed. (pp. xi-xv). Seattle: IASP Press, 1994.
  2. Sternbach RA. Clinical Aspects of pain. In: Sternbach RA, ed. The Psychology of Pain (pp. 223-239). New York: Raven Press, 1978.
  3. Turk DC, Melzack R. The measurement of pain and the assessment of people experiencing pain. In: Turk DC, Melzack R, eds. Handbook of Pain Assessment (pp. 3-12). New York: Guilford Press, 1992.
  4. Gureje O, von Korff M, Simon GE, Gater R. Persistent Pain and Well-being: A World Health Organization Study in Primary Care. JAMA 280: 1142, 1998. PMID: 9669787
  5. American Geriatrics Society Panel on Persistent Pain in Older Persons (2002): The Management of Persistent Pain in Older Persons. JAGS 2002;50:S205-S224. PMID: 12067390
  6. Chodosh J, Solomon DH, Roth CP, Chang JT, MacLean CH, Ferrell BA, Shekelle PG, Wenger NS. The quality of medical care provided to vulnerable older patients with chronic pain. J Am Geriatr Soc. 2004;52:756-61. PMID: 15086657
  7. Jean A, Morello R, Alix M. Evaluation de la douleur de sujet très âgé hospitalise en long séjour. La Revue de Gériatrie 1998, 23(3):253-256, 1998.
  8. Morello R, Jean A, Alix M, Groupe Regates. LÉCPA: une échelle comportementale de la douleur pour personnes âgées non communicantes. InfoKara, 51(3):22-29, 1998.
  9. Lachs MS, Feinstein AR, Cooney LM Jr, Drickamer MA, Marottoli RA, Pannill FC, Tinetti ME. A simple procedure for general screening for functional disability in elderly patients. Ann Intern Med, 112(9), 699-706, 1990. PMID: 2334082
  10. Basler HD, Bloem R, Casser HR, Gerbershagen HU, Griessinger N, Hankemeier U, Hesselbarth S, Lautenbacher S, Nikolaus T, Richter W, Schroter C, Weiss L. Ein strukturiertes Schmerzinterview für geriatrische Patienten. Schmerz, 15(3):164-171, 2001. PMID: 11810351
  11. Yesavage J. Geriatric Depression Scale. Psychopharmacological Bulletin, 24(4), 709-711, 1988. PMID: 3249773
  12. Perrot S. [Management strategies for the treatment of non malignant chronic pain in the elderly.] Psychol Neuropsychiatr Vieil. 2006 Sep;4(3):163-70. French. PMID: 16945846
  13. Blyth FM, Cumming R, Mitchell P, Wang JJ. Pain and falls in older people. Eur J Pain. 2006 Sep 30; [Epub ahead of print] PMID: 17015026
  14. Davis MP, Srivastava M. Demographics, assessment and management of pain in the elderly. Drugs Aging. 2003;20(1):23-57. Review. PMID: 12513114
  15. Nikolaus T, Zeyfang A. Pharmacological treatments for persistent non-malignant pain in older persons. Drugs Aging. 2004;21(1):19-41. Review. PMID: 14715042
  16. Cavalieri TA. Pain management in the elderly. J Am Osteopath Assoc. 2002 Sep;102(9):481-5. PMID: 12361180
  17. McQuay HJ, Moore RA, Eccleston C, Morley S, Williams AC. Systematic review of outpatient services for chronic pain control. Health Technol Assess. 1997;1(6):i-iv, 1-135. Review. PMID: 9483161
  18. Won AB, Lapane KL, Vallow S, Schein J, Morris JN, Lipsitz LA. Persistent nonmalignant pain and analgesic prescribing patterns in elderly nursing home residents. J Am Geriatr Soc. 2004 Jun;52(6):867-74. PMID: 15161448
  19. Herr K. Chronic pain in the older patient: management strategies. 2. J Gerontol Nurs. 2002 Feb;28(2):28-34; quiz 54-5. Review. PMID: 11846288
  20. Freedman GM. Chronic pain. Clinical management of common causes of geriatric pain. Geriatrics. 2002 May;57(5):36-41; quiz 42. Review. PMID: 12040592
  21. Langford RM. Pain management today-what have we learned? Clin Rheumatol. 2006 Jul;25(Supplement 7):2-8. Epub 2006 Jun 2. PMID: 16741780
  22. Ahmad M, Goucke CR. Management strategies for the treatment of neuropathic pain in the elderly. Drugs Aging. 2002;19(12):929-45. Review. PMID: 12495368
  23. Wepner U. [Controlling pain effectively in the elderly. Age is not an analgesic] MMW Fortschr Med. 2006 May 11;148(19):12-3. German. No abstract available. PMID: 16736697
Projektrelevante Leitlinien/Standards - Thema Schmerzen
  • American Geriatrics Society Panel on Persistent Pain in Older Persons (2002): The Management of Persistent Pain in Older Persons. JAGS 2002;50:S205-S224
  • Chodosh J, Solomon DH, Roth CP, Chang JT, MacLean CH, Ferrell BA, Shekelle PG, Wenger NS. The quality of medical care provided to vulnerable older patients with chronic pain. J Am Geriatr Soc. 2004;52:756-61.

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Benchmarking

Beginnend mit dem ersten Quartal 2005 wurden einrichtungsübergreifend in anfangs 12, später 16 Kliniken standardisiert Daten zur Schmerzhäufigkeit, Schmerzintensität und Schmerzanamnese (Dauer) sowie zur Depressivität (Screening) erhoben.

Die Kliniken unterscheiden sich wiederum in der Geschwindigkeit, mit der die Implementierung erfolgreich abgeschlossen wurde (Abb. 2). Insgesamt 9 Kliniken (Gruppe P1) hatten bereits im 3. Quartal 2005 eine Vollständigkeitsquote über 85% erreicht, während der Implementierungsprozess in den übrigen 7 Klinken (Gruppe P2) verzögert oder weniger stabil verlief. Hierbei ist natürlich zu berücksichtigen, dass nur drei von diesen Kliniken der Primärgruppe angehörten, während die anderen vier diesen Themenbereich zusätzlich zu dem von ihnen primär gewählten Themenbereich Malnutrition übernahmen.

Abb. 2: Implementierung des Schmerzassessments in der klinischen Routinedokumentation
Abb. 2: Implementierung des Schmerzassessments in der klinischen Routinedokumentation

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Von besonderer Bedeutung für den Einrichtungsvergleich hinsichtlich der Behandlungsergebnisse ist die Vollständigkeit des Entlassungsassessments bei Schmerzpatienten. Ohne eine Statusmessung am Behandlungsende kann der Erfolg der Behandlung nicht direkt beurteilt werden.

Auch in der Vollständigkeit des Schmerzassessments bei Entlassung von Schmerzpatienten (definiert durch die Angabe von gelegentlicher oder andauernder Schmerzen im Aufnahmeassessment) unterscheiden sich die beiden Klinikgruppen P1 und P2 (Abb. 3). Der Klinikgruppe P1 gelingt es deutlich schneller, sicher zu stellen, dass ein problemspezifisches Assessment bei Schmerzpatienten vor der Entlassung (Häufigkeit und Intensität von Schmerzen) erneut durchgeführt wird. Die Ausfallquote liegt bereits im 3. Quartal unter 5%, während sie in der Gruppe P2 auch im 2. Quartal 2006 noch über 5% liegt. In beiden Gruppen ist aber eine deutliche Verbesserung der Vollständigkeit zu verzeichnen.

Abb. 3: Anteil Schmerzpatienten ohne Entlassungsassessment
Abb. 3: Anteil Schmerzpatienten ohne Entlassungsassessment

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Der Anteil der Schmerzpatienten, die schmerzfrei entlassen werden konnten, wird in Abb. 4 für beide Klinikgruppen dargestellt. Hier unterscheiden sich die beiden Klinikgruppen zwar weniger, dennoch erreicht die Klinikgruppe P1 durchgehend einen höheren Anteil der schmerzfrei entlassenen Patienten (33,4% im 2. Quartal 2006, n=316 von N=944 Schmerzpatienten) als die Klinikgruppe P2 (27,5% im gleichen Quartal, n=217 von N=789).

Insgesamt zeichnet sich in beiden Klinikgruppen ein positiver Trend hinsichtlich der Behandlungsergebnisse ab, auch wenn man diese Betrachtung auf den Zeitraum ab dem 3. Quartal 2005 beschränken muss, da eine ausreichende Vollständigkeit der Implementierung erst ab diesem Zeitpunkt erreicht ist.

Abb. 4: Anteil Schmerzpatienten, die schmerzfrei entlassen werden, nach Klinikgruppe und Quartal
Abb. 4: Anteil Schmerzpatienten, die schmerzfrei entlassen werden, nach Klinikgruppe und Quartal

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Best Practice

Mit dem Erfahrungsaustausch, der Literaturrecherche und der Diskussion zur Erarbeitung einer Best- Practice für Schmerzpatienten wurde verbundübergreifend zum 4. Moderatorentreffen begonnen. Im weiteren Projektverlauf wurden diese Arbeiten intensiviert und schließlich im Rahmen eines Delphi-Prozesses formalisiert.

Die Abstimmungsergebnisse des ersten Durchgangs lagen im September 2006 vor und zeigten einen bereits weitgehenden Konsens zu den erarbeiteten Modulen und Prozessen einer „Besten Praxis Schmerz“. Da jedoch zu einigen Aspekten durchaus noch Uneinigkeit (kein Konsens) besteht, wird das abschließende Ergebnis erst in einer zweiten Abstimmung ermittelt werden können.

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